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Teure Tontechnik

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Sie war die letzte Königin Frankreichs und hat es inzwischen auch zum Musicalstoff gebracht. Ende des Monats wird das bereits mit Erfolg in Japan aufgeführte Musical „Marie Antoinette“ erstmals in einer für Europäer passend gemachten Version aufgeführt – in Bremen. Produziert wird es vom Bremer Theater. Allerdings nicht im eigenen Haus und nicht vollständig mit eigenem Personal. Die Hauptrollen wurden mit eigens dazu engagierten Musicalprofis besetzt. Und das Bühnenbild wird im Musicaltheater in der Bremer Innenstadt aufgebaut. Und nun auch die Tontechnik. Um die gab es einen Konflikt zwischen Theater und Musicaltheater.

Nordwestradio, 12. Januar 2008 

 

"Marie Antoinette" zieht Theater in finanzielle Krise

Audio abspielenDas Theater Bremen ist nach Informationen von Radio Bremen finanziell angeschlagen. Um dieses Jahr zu überstehen, muss es schon auf Zuschüsse der Stadt zugreifen, die für die kommenden Jahre vorgesehen waren. Nach Angaben von Kulturpolitikern fehlen dem Theater am Goetheplatz in diesem Geschäftsjahr etwa 2,5 Millionen Euro für ein ausgeglichenes Ergebnis. Das ist immerhin ein knappes Zehntel des gesamten Jahresetats. Das Minus soll je nach Bedarf aus den öffentlichen Zuschüssen für die kommenden fünf Jahre ausgeglichen werden. Sie betragen rund 24 Millionen Euro jährlich und sollen auch nicht erhöht werden. Karl-Henry Lahmann berichtet im Studiogespräch.

Nordwestradio, 4. Mai 2009

 

100 Jahre Luftfahrt in Bremen

Im Frühjahr 1909 begann in Bremen das Luftfahrtzeitalter. Was mit dem "Bremer Verein für Luftschiffahrt" begann, entwickelte sich im Laufe der Jahre zu einer für die Stadt bedeutsamen Wirtschaftszweig mit internationalem Flughafen, Luft- und Raumfahrtindustrie. Im März und April 2009 strahlte das Nordwestradio ein Serie zu "100 Jahre Luftfahrt in Bremen" aus. Drei Beiträge stammten von Karl-Henry Lahmann:

Ökobilanz der Fliegerei

   

Zukunft des Bremer Flughafens

   

Luftverkehr in Zeiten der Krise

 

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Es fasziniert die einen und ist den anderen suspekt: Ist Fliegen auf einen schlichten Kern verdichtet ein einziger ökologischer Frevel? Abgase und Lärm legen diese Wertung nahe. Andererseits ist der Sprung über den Ozean für Geschäftsleute in der globalisierten Wirtschaft oft unvermeidlich und der jährliche Ferientrip nach Gran Canaria oder auf die Malediven für viele Menschen ein unverzichtbarer Teil ihrer Lebensqualität. Und der technische Forschritt macht auch vor Flugzeugen nicht halt: Krach und Spritverbrauch nehmen seit Jahren ab. Ist umweltverträglicher Luftverkehr möglich?

 

Nordwestradio, 23. März 2009

 

 

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Etwa 2,5 Millionen Passagiere wurden im vorigen Jahr auf dem Bremer Flughafen gezählt. Das ist nicht nur ein Anstieg um über elf Prozent, das war auch ein Rekord. Der Linienverkehr überwiegt deutlich: Charterreisende machen nur etwa ein Fünftel aus. Für Bremen als Gesellschafter ist der Flughafen eine wichtige Adresse: Bei einem Umsatz von 40 Millionen Euro wurde ein Gewinn von einer Million erwirtschaftet. Und über 400 Menschen finden dort Arbeit. Grund genug, einmal zu fragen, wie sich dieses mittelständische Unternehmen auf die Zukunft vorbereitet.

 

Nordwestradio, 30. März 09

 

 

Audio abspielenDie Krise der Weltwirtschaft ist nahezu allgegenwärtig. Und doch gibt es noch mehr als nur feine Unterschiede. Zu den besonders stark von den Folgen der  Erschlaffung getroffenen Wirtschaftsbereichen gehört alles rund um den Personen- und Warentransport. Die internationale Schifffahrt und auch die Binnenschifffahrt haben einen jähen Absturz aus florierenden Geschäften in eine tiefe Depression hinter sich. Die Bahn nutzt Rangierbahnhöfe als Abstellgleis für nicht benötigte Waggons. Trucker verbringen ihre Tage mit Warten statt auf der Autobahn. Und die Luftfahrt?

 

Nordwestradio, 6. April 2009

 

Auszeichnung für Bauteilnetz

Recycling endet nicht bei der ausgelesenen Zeitung und der geleerten Essigflasche. Wiederverwertung geht auch auf dem Bau. Bei Umbauten und Abriss werden die Baustoffe ohnehin schon in Containern getrennt. Was liegt da näher, als auch hier danach zu schauen, was noch eine Audio abspielenzweite Chance in einem Bau bekommen kann. Die Tür muss nicht Tür bleiben und die Treppenstufe kann zur Fensterbank werden. Hauptsache: Wertvolle Rohstoffe landen nicht auf der Deponie. Gelebt wird diese Idee in den Bauteilbörsen. Seit einiger Zeit verbinden die sich im Bauteilnetz Deutschland. Jetzt wurde es prominent gewürdigt: Es wurde zum offiziellen Projekt der „UN-Dekade Bildung für nachhaltige Entwicklung“.

Nordwestradio 23. Dez. 2008

 

 

Flieger für die halbe Liga

Bei diesem Unternehmen denkt wahrscheinlich niemand spontan an Stars und die große, weite Welt: Ostfriesische Lufttransport GmbH – kurz: OLT. Das klingt nach norddeutscher Provinz. Eher spröde als glamourös. Doch wie so oft täuscht auch hier der erste Impuls ganz gewaltig: Denn gemessen Audio abspielenan seiner Größe darf die OLT sich wahrscheinlich ohne Wenn und Aber rühmen, die mit weitem Abstand höchste Promi-Dichte aller deutschen Fluggesell-schaften in den Kabinen seiner Maschinen beherbergen zu dürfen. Und damit haben sich die Ostfriesen auch noch gleich eine schnuckelige Marktlücke erschlossen. Denn die Passagiere mit den großen Namen steigen dort nicht einzeln ein, sondern immer gleich in Mannschaftstärke.

Radio Bremen 13. Nov. 2008

   

 

Rad, wo bist Du?

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Mehrere zehntausend Besucher werden vom 20. bis 24. Mai nach Bremen kommen, um am Kirchentag teilzunehmen. Eine Großveranstaltung mit vielfältigen Problemen, die ein solches Mammut-Treffen nun einmal mit sich bringt. Um Schlafplätze in Turnhallen und Klassenzimmern zu gewinnen, wurden schon extra die Schulferien passend gemacht. Und auch für den Verkehr haben sich die Veranstalter etwas einfallen lassen: Einen Leih-Fahrrad-Pool, mit dem die Besucher zwischen den Veranstaltungen pendeln sollen. 

Bremen-Eins, 29. Januar 2009 

 


Älter als die gestrige Zeitung

Stadtnotiz

Es ist ein weit verbreitetes Gerücht, dem wir hier in der Redaktion gar nicht oft und vehement genug entgegentreten können: „Nichts ist so alt wie die Zeitung von gestern“, meint eine vorgebliche Volksweisheit verbreiten zu müssen.

Nix da – wir müssen den unserem Medium aufgedrängten Zentralplatz auf dem Treppchen weiterreichen. An Lehrer. Nicht an alle. Aber einige. Sportlehrer. Auch da nicht alle. Aber einige. Einige, die mit der Organisation der Bundesjugendspiele zu tun haben. Die verlangen den Kindern nicht nur sportliche Leistungen ab. Neuerdings wird das Ganze an ausgewählten Schulen auch noch um eine zeitgeschichtliche Komponente erweitert. Und das, wo Zeit beim Sportfest ansonsten nur als Messgröße auf den Laufstrecken gewisse Relevanz genießt – falls man es nicht mit dem olympischen Geist hält, dass allein die Teilnahme schon Zweck der Übung war.

Wie auch immer: Bundesjugendspieler, die nicht nur dabei waren, sondern auch noch sportlich ordentlich hingelangt haben, erhielten jüngst eine der begehrten Ehrenurkunden, die vom Bundespräsidenten unterzeichnet waren. Nicht, dass das ungewöhnlich wäre. Komisch nur, dass sich das Signum keineswegs als „Horst Köhler“ identifizieren lässt, sondern selbst ohne fortgeschrittene graphologische Kenntnisse eindeutig als „Johannes Rau“ durchgeht. Der aber ist nicht nur seit 2004 nicht mehr Chef-Bundesbürger. Seit Januar 2006 deckt ihn schon der grüne Rasen.

Womit klar ist: Älter als die Zeitung von gestern sind die Sport-Urkunden, die da in Lehrerzimmern über Bedarf geordert, gehortet und schließlich allen Halbwertzeiten zum Trotz verteilt wurden. Was die Kinder über Tugenden wie Einsatz, Ehrgeiz, Gewissenhaftigkeit, Interesse, Engagement und Sorgfalt von ihren Lehrern lernen, können sich die Betroffenen sicher selbst gut ausmalen.

Nordsee-Zeitung vom 4. August 2008

 

 

 

„Der Rest ist Schweigen“

Stadtnotiz

„Schlag nach bei Shakespeare“, komponierte Cole Porter für sein Musical „Kiss me, Kate“. Und er wusste auch, weshalb wie angeraten zu verfahren sei: „Denn da steht was drin.“

Jenseits der leichten Muse aber lernen wir heute in seriösen Nachschlagewerken, dass allein die schiere Existenz der gedruckten Lettern kein Wert an sich sein muss. Denn im enzyklopädischen Genre gilt ohne Abstriche: Was da steht, sollte auch stimmen, andernfalls tendiert der Nutzwert gen null.

So verhält es sich denn wohl mit dem ansonsten gut beleumundeten Harenberg-Jahrbuch 2008 aus Meyers renommierten Lexikonverlag. Das weist in seinem Beitrag über das Land Bremen Jörg Schulz als Senator für Wirtschaft, Häfen, Verkehr und Justiz aus. Was doppelt bedauerlich ist: Weder ist Schulz Kabinettsmitglied, noch gibt es in der Landesregierung ein Ressort Wirtschaft, Häfen und Verkehr. Der Erkenntnisgewinn durch Nachschlagen bei Harenberg statt bei Shakespeare nimmt also ein jähes Ende, was Letzterer geahnt haben mag, als er seine Lady Macbeth sinnieren ließ: „Nichts ist gewonnen, alles ist dahin, stehn wir am Ziel mit unzufriednem Sinn.“ Nun warnt der im Porter’schen Sinn zu Rate gezogene Dichter und Denker in seiner Komödie „Wie es Euch gefällt“ aber auch vor allzu viel Hochmut vor den Fehlern anderer: „Der Narr hält sich für weise, aber der Weise weiß, dass er ein Narr ist.“

Daher: „Der Rest ist Schweigen“ (Shakespeares „Hamlet“).

Nordsee-Zeitung vom 9. Februar 2008

 

 

Bremer klauen Seestadt-Ideen

BIG plant eine Marina, einen Kreuzfahrt-Anleger und ein Yachtdesign-Zentrum für die Stadt Bremen

Bremerhaven. Wenn es mit der Ansiedlung ausländischer Firmen schon nicht klappt, dann vielleicht zumindest mit Ideenklau? Ein schönes Geschäftsmodell, das bei Bremerhavener Politikern allerdings wenig Anerkennung findet. Ihr Groll richtet sich gegen die landeseigene BIG, die in der Stadt Bremen drei Projekte auf den Weg gebracht hat, die verdächtig an Bremerhaven erinnern.

Marina, Kreuzfahrer, Yachtdesign – das gehört zur Seestadt wie Fisch und Container und Pkw-Umschlag. Sollte man meinen. Doch die Wirtschaftsförderer bei der Bremer Investitions-Gesellschaft (BIG) möchten diese Felder der Seestadt nicht exklusiv überlassen. Von Bremerhaven lernen, heißt siegen lernen, scheint die Maxime wirtschaftsfördernden Handelns weseraufwärts zu sein. Die Bremer planen derzeit drei Projekte, die erfolgreiche Entwicklungen aus Bremerhaven kopieren.

„Die sollten lieber mal eigene Ideen entwickeln,“ kommentiert der Bremerhavener CDU-Landtagsabgeordnete Paul Bödeker. Mit diesen Projekten grätsche die BIG zielsicher in die Tourismuspläne der Seestadt: „Der maritime Tourismus ist eigentlich das, wo wir drauf setzen.“ Es sei völlig überflüssig, sich da auch noch selbst Konkurrenz zu machen. Unverständlich findet es Bödeker, dass Oberbürgermeister Jörg Schulz (SPD) im BIG-Aufsichtsrat nicht gegen solche Vorhaben protestiere.

Mit vernehmbarer Verärgerung reagiert auch der Bremerhaver Mark Ella auf die Ballung der Bremer Vorstöße: „Wenn die versuchen, den Charme von Bremerhaven zu erreichen, haben sie keine Chance,“ versucht der FDP-Mann die absurde Seite der Sache in den Vordergrund zu stellen.

„Fatal“, aber „chancenlos“?

In Maßen hält sich die Empörung bei Frank Willmann (Grüne) – das aber auch nur, weil er das alles ohnehin unter der Rubrik „chancenlos“ abheftet: „Ich glaube nicht, dass Schiffe da hochfahren.“ „Ich hoffe, dass niemand in der BIG verrückt genug ist, Bremerhaven innerhalb des Landes Konkurrenz zu machen“, murrt der Bremerhavener Bürgerschaftsabgeordnete Martin Günthner (SPD). Er findet es „fatal“, wenn in Bremen mit öffentlichen Mitteln Projekte kopiert würden, die in Bremerhaven ganz oder maßgeblich privat finanziert wurden und sich am Markt bewährten.

Oberbürgermeister Schulz nimmt die BIG in Schutz – ohne die Vorhaben damit zu billigen: Die seien von der Bremer Wirtschaftspolitik beschlossen worden, die BIG sei nur ausführendes Organ. Letztlich sei der Kurs doch als Lob zu verbuchen: „Wenn die Bremer unsere Erfolgsmodelle kopieren, ist das doch ein Ritterschlag für Bremerhaven. Offenbar sind wir auf dem richtigen Weg.“

Wenn es in Bremerhaven denn offenbar für Wirtschaftsförderer ein derartiges Füllhorn an Blaupausen für Entwicklungsprojekte gibt, bleibt ja letztlich nur noch die Frage: Weshalb nutzt in der BIG niemand die durchs schnelle Nacheifern statt mühsames Nachdenken gewonnene Zeit und befragt sein Hirn, wie endlich der Geschäftsauftrag erfüllt werden kann, ausländische Firmen nach Bremerhaven zu lotsen?

 

 


Seestadt-Projekte für Bremen

Einfallsreichtum sieht wahrlich anders aus: Drei Projekt der Bremer Wirtschaftspolitiker sind in Bremerhaven abgekupfert worden oder wurden – um es höflich auszudrücken – von Erfolgen in der Seestadt inspiriert.

Marina: Die Überseestadt ist das zentrale Stadtentwicklungsprojekt in Bremen. Zu dem Konzept gehört auch eine Marina. Die soll privat errichtet und betrieben werden. Gegenwärtig läuft die Suche nach einem Investor. Seine Entsprechung in Bremerhaven findet in der Imjaich-Marina im Neuen Hafen, die so gut ankommt, dass der Investor Hans Jaich inzwischen Ausbaupläne hegt. Vier Millionen hat er in seine Marina gesteckt, weitere neun Millionen möchte er in einen Komplex für Hotel und Büros verbauen. Solche Vorbilder machen bei der BIG offenbar sinnlich.

Yachtdesign-Zentrum: Spielort Bremen-Vegesack – seit vielen Jahren wird auch dort mit unterschiedlichen Vorhaben versucht, dem Stadtteil neues Leben einzuhauchen. Die „Gläserne Werft“ scheiterte mit Wucht. Nun soll dem seit über zehn Jahren leerstehende historische Alte Hafenspeicher neues Leben eingehaucht werden. Für zwei Millionen Euro soll dort nun ein Yachtdesign-Zentrum entstehen. „Das passt gut zum maritimen Hafen-Ambiente“, sagt BIG-Sprecherin Juliane Scholz. Einziehen würden bereits in Vegesack ansässige Yachtausrüster und Yachtdesigner. Lange suchen musste die BIG nicht nach guten Vorbildern: In Bremerhaven haben die international renommierten Designer Judel, Vrolijk und Co. zwei Millionen Euro privater Mittel in die Hand genommen und ein Zentrum am Weserbad gebaut.

Kreuzfahrt-Anleger: Für sechs Millionen Euro wird seit April die Weserpromenade „Schlachte“ weiter nach Norden bis zur Überseestadt ausgebaut. Etwa 300000 Euro, so Juliane Scholz, von den Mitteln werden verbaggert: Kurz vor der ersten Weserbrücke wird an der zu sanierenden Kaje am Wesergrund gekratzt, damit es dort tief genug für Kreuzfahrer wird. Etwa zwei Mal im Jahr, so die Hoffnung der Wirtschaftsförderer, sollten Kreuzliner die Weser bis nach Bremen hochtuckern, um Tagestouristen direkt in der Hansestadt an Land gehen zu lassen. Eine Abfertigung sei nicht vorgesehen, so Juliane Scholz. Solange keine Kreuzliner festmachen, könne und solle der Liegeplatz von anderen Schiffen genutzt werden. Das Projekt sei in keinerlei Konkurrenz zum Columbus-Cruise-Center Bremerhaven zu sehen. Da es keine Abfertigung mit Passagiertausch und Gepäckumschlag geben soll, seien auch keine so scharfen Sicherheitsrichtlinien zu beachten. Auch sonst ergäben sich keine Probleme. Zu Reedern seien Kontakte aufgenommen worden; Zusagen gebe es noch keine.


Nordsee-Zeitung vom 14. Juli 2008

 

„Das gehört
sich nicht“

Soziologe Prof. Dr. Klaus Boehnke über das Fahnenmeer: Gastfreundschaft sieht anders aus

Bremerhaven. Ein schwarz-rot-goldenes Meer schwappt über die Stadt – Fußballbegeisterung oder Rechtsruck? Das wollte Karl-Henry Lahmann vom Soziologen und Psychologen Prof. Dr. Klaus Boehnke (55) von der International University Bremen wissen.

Frage: Herr Professor Boehnke – wo kommen plötzlich nur all die Flaggen her?
Boehnke: Aus den Fabriken, die jetzt einen zehnfachen Umsatz machen. Aber jetzt mal im Ernst: Wir sind in einem durch die Fifa und das WM-Organisationskomitee konstruierten Rummel. Darüber lassen sich Identifikationen relativ leicht ausdrücken.

Frage: Können Sie das präzisieren?
Boehnke: Krass ausgedrückt: Deutschland war in den vergangenen Jahren verunsichert durch eine Schlusslichtdebatte. Jetzt können wir plötzlich das Gefühl haben, hier können wir was.

Frage: Hat das mit politischen Gedankengebilden zwischen Patriotismus, Chauvinismus und Nationalismus zu tun?
Boehnke: Tendenziell greifen Leute zu diesen Symbolen, die sich über die Frage Nation/ Nationalismus keine Gedanken machen. Wer weiß, dass Deutschland ein relativ schweres Vaterland ist, schwenkt die Fahne nicht.

Frage: Gesunder Patriotismus?
Boehnke: Ich bin skeptisch, dass es so etwas wie „gesunden Patriotismus“ überhaupt gibt...Frage: Weshalb?Boehnke: Die Nation war eine Konstruktion des 19. Jahrhunderts. Dann wäre das also eine Rückbesinnung auf ein durch und durch unmodernes Konzept. Im übrigen gehört sich dieses massive Flaggentragen in der Öffentlichkeit nicht. Wir sind die Gastgeber.

Frage: Wo ziehen Sie die Grenze zwischen Patriotismus und Nationalismus?
Boehnke: Der Übergang ist fließend. Patriotismus heißt Vaterlandsliebe. Wir leben aber nicht in einer Zeit, in der man sein Vaterland gegen andere herausheben sollte. Man muss in der Lage sein, das Fremde aufzunehmen. Wie wir es bei unseren Fußballern ja tun: Viele unserer Spitzenspieler haben einen Einwanderungshintergrund. Das ist die Globalisierung in Form einer Fußballmannschaft.

Frage: Was bleibt uns davon erhalten, wenn die gar nicht so „deutsche“ Mannschaft ausscheidet?

Boehnke: Ich glaube nicht, dass eine breite Nachwirkung bleibt. Ich will auch nicht hoffen, dass wir die Flaggen nicht wieder loswerden.

Nordsee-Zeitung vom 16. Juni 2006

 

  

Ein Streiter auch in der Partei

SPD-Bildungssenator Willi Lemke wird 60 

Bremen. Der Sprung nach ganz oben misslang Willi Lemke (SPD): Sein Versuch, Nachfolger von Regierungschef Henning Scherf (SPD) zu werden, fand nicht den Beifall der Parteifreunde. Die entschieden sich für Jens Böhrnsen. Sein damaliger Konkurrent wird heute auch Gast des Empfangs sein, den Werder ausrichtet – im Rathaus: Lemke wird 60.

Nach einem kurzen Schock nahm der Unterlegene die Entscheidung vor knapp einem Jahr sportlich, wie er auch in seiner Zeit beim SV Werder Bremen die eine oder andere Niederlage hat wegstecken müssen. Schon wenige Wochen später stritt Lemke wieder für seine bildungspolitischen Vorstellungen, wie er es seit 1999 tut.

Diese sind in der SPD alles andere als unumstritten, was seinen Ausdruck letztlich auch in der Mitgliederbefragung fand. Der vierfache Vater – am 19. August 1946 in Pönitz in Ostholstein geboren – spricht einem Leistungsgedanken das Wort, der der sozialdemokratischen Bildungsideologie in dieser Ausprägung bis dahin eherfremd war; für Zucht und Ordnung, bedeckte Bauchnabel und mehr Kompetenzen der Schulleiter stritt Lemke und fand bundesweit Beachtung. Auch Verlängerungen der Lehrerarbeitszeit, mehr Unterrichtsverpflichtung und Fortbildungspflicht für Lehrkräfte stehen für Initiativen Lemkes, mit denen er sich nicht nur Freunde gemacht hat. Und als Lemke die Frage, ob islamische Lehrerinnen ein Kopftuch in der Schule tragen dürfen, mit einem klaren Nein beantwortete, klaffte ein deutlich sichtbarer Spalt zwischen ihm und seiner Partei.

 

„Mister SV Werder“

Bundespolitische Bekanntheit errang der Marathonläufer schon lange, bevor er 1999 von Scherf als Senator für Bildung und Wissenschaft in die Landesregierung gelockt wurde: Nach sieben Jahren Arbeit als SPD-Landesgeschäftsführer war er 1981 bis 1999 „Mister SV Werder“. Ein äußerst geschickt agierender Manager eines Fußball-Bundesligisten, dem Altkanzler Willy Brandt einmal das nicht für jedermann selbstverständliche Kompliment gemacht haben soll, „der Willi ist ein wunderbares lebendes Beispiel dafür, dass auch Sozialdemokraten hervorragend mit Geld umgehen können“. Erfolg hatte er durchaus: In der Zusammenarbeit Trainer Otto Rehhagel gelang es Werder in Lemkes Amtszeit, einen Europacup, zwei Meisterschalen und drei DFB-Pokale zu gewinnen.

1994 zeichnete sich kurz ein Skandal ab, als durch die Memoiren des ehemaligen Chefs des Hamburger Verfassungsschutzes bekannt wurde, dass Lemke von 1970 bis 1975 Doppelagent für den russischen KGB und den deutschen Verfassungsschutz war. Damals war er wissenschaftlicher Mitarbeiter des Allgemeinen Studentenausschusses der Hamburger Uni, an der er Erziehungs- und Sportwissenschaften studiert hatte. Als er Kontakte zu Sportlern in der DDR knüpfen wollte, berichtete Lemke später, sei er vom KGB angeworben worden. Umgehend sei er zum Verfassungsschutz gegangen. Unter dessen Leitung sei er dann zum Schein auf die Avancen der Russen eingegangen. „Abenteuerlust, Eitelkeit und staatspolitisches Pflichtgefühl“, sagte Lemke 1994, habe ihn dazu gebracht, sich auf dieses Spiel einzulassen.

Nordsee-Zeitung vom 19. Aug. 2006

 

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